🤝🏻Von Automation zu Agency: Warum „Workflows“ keine Teammitglieder sind

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KI wird häufig mit dem Satz verknüpft: „KI wird deinen Job nicht ersetzen, aber jemand, der KI nutzt, wird es tun.“ Dieser Spruch wirkt eingängig, verfehlt aber einen entscheidenden Punkt. Er setzt voraus, dass KI im Kern ein besseres Werkzeug ist – ein schnelleres Makro, ein klügerer Taschenrechner.
Entscheidend ist jedoch etwas anderes: Solange KI nur als Automatisierungswerkzeug verstanden wird, bleibt ihr Potenzial begrenzt. Der eigentliche Produktivitätssprung entsteht dort, wo nicht mehr einzelne Prozessschritte definiert, sondern Ziele an Agenten delegiert werden. In diese Logik führt das Konzept der „Agentic AI“.

Was bedeutet Agency?

„Agency“ beschreibt Handlungsfähigkeit und Handlungsspielraum. In der Philosophie ist damit die Fähigkeit eines Akteurs gemeint, eigenständig Entscheidungen zu treffen und entsprechend zu handeln. Übertragen auf KI heißt das: Ein System erhält nicht nur Anweisungen, sondern Ziele, und entscheidet selbst, auf welchem Weg es diese erreicht.
Damit unterscheidet sich Agency grundlegend von klassischer Automatisierung. Skripte, Workflows oder If‑Then‑Regeln verfügen nicht über Agency. Sie führen aus, was vorgegeben ist. Ein Agent hingegen bewertet Situationen, wählt Strategien und passt sein Vorgehen an.
Ein einfaches Beispiel macht diesen Unterschied sichtbar:
  • Ohne Agency (klassische Automation):
    • Eine Regel lautet: „Wenn Kunde antwortet, trage Termin in den Kalender ein.“ Das funktioniert, solange Antworten in das erwartete Muster passen. Spätestens bei einer Nachricht wie „Mittwoch geht, aber nicht vor 14 Uhr“ stößt die Logik an Grenzen.
  • Mit Agency (Agent):
    • Die Aufgabe lautet: „Organisiere einen Termin mit der Kundin oder dem Kunden.“ Der Agent prüft Kalender, schlägt Zeitfenster vor, reagiert auf Einschränkungen, bucht den Raum und verschickt Einladungen. Er bewegt sich in Unwägbarkeiten, statt an statischen Bedingungen zu scheitern.

Wie funktioniert Agency technisch?

Hinter Agentic AI stehen im Kern drei Mechanismen, die sich in vielen technischen Implementierungen wiederfinden.
1. Zielvorgaben statt Schritt-für-Schritt-Anweisungen
Agenten erhalten Ergebnisse, nicht Rezepte. „Stelle sicher, dass alle relevanten Stakeholder die finale Präsentation bis Freitag erhalten haben“ ist eine solche Zielvorgabe. Der Agent entscheidet selbst, ob nachgefasst werden muss, wer noch nicht reagiert hat und welche Kommunikationskanäle sinnvoll sind.
2. Zugang zu Werkzeugen und Kontext
Damit ein Agent handeln kann, benötigt er „Hände“ und „Augen“: Schnittstellen zu Kalendern, E‑Mail‑Systemen, Kollaborationstools und Datenquellen. Moderne Agenten-Frameworks stellen APIs, Wissensbasen und externe Tools zur Verfügung. Der Agent kann recherchieren, Code ausführen oder Aktionen in Systemen anstoßen und dadurch eigenständig arbeiten.
3. Iterative Problemlösung
Agenten arbeiten typischerweise in Schleifen. Sie wählen einen Ansatz, überprüfen die Ergebnisse und justieren bei Bedarf nach. Dieser Zyklus aus Versuch, Feedback und Anpassung ähnelt menschlicher Problemlösung. Die Fähigkeit zur Selbstkorrektur ist ein Kernbestandteil von Agency.

Das Missverständnis: Workflow oder Agent?

In vielen Organisationen verschwimmen die Begriffe „Workflow“ und „Agent“. Ein genauer Blick zeigt jedoch einen kategorialen Unterschied.
  • Automation (Workflow):
    • Ein Workflow folgt einer festen Schrittfolge: „Wenn A passiert, dann B, danach C.“ Das kann hochgradig effizient sein, bleibt aber unflexibel. Unerwartete Ereignisse führen schnell zu Fehlerzuständen oder zum Abbruch. Die Logik ähnelt einem Fließband, das zuverlässig arbeitet, solange alle Teile wie geplant ankommen.
  • Agency (Agent):
    • Ein Agent arbeitet zielorientiert: „Organisiere ein Meeting mit dem Team, um die Quartalszahlen zu besprechen.“ Aus dieser Vorgabe leitet er ab, wer teilnehmen sollte, welche Zeitfenster infrage kommen, was zu tun ist, wenn Räume blockiert sind und welche Unterlagen vorab nötig sind. Er verfügt über Handlungsspielraum – und nutzt ihn.
Der Unterschied ist damit nicht graduell, sondern grundsätzlich. Es ist der Übergang vom Skript zum operativen Partner auf Teilzielebene. Agenten werden nicht zu Teammitgliedern im menschlichen Sinn, übernehmen aber eigenständig Verantwortung in klar abgegrenzten Aufgabenfeldern.

Eine neue Form der Zusammenarbeit

In vielen Teams lässt sich eine Entwicklung beobachten: Neben menschlichen Rollen entstehen wiederkehrende Agentenrollen.
Dazu gehören zum Beispiel:
  • ein „Advocatus Diaboli“, der Entwürfe auf Gegenargumente und logische Brüche prüft,
  • ein „Connector“, der Diskussionen in verschiedenen Kanälen verfolgt und Verbindungen herstellt („Hier entstehen zwei ähnliche Initiativen“),
  • ein „Timekeeper“, der Entscheidungen und Action Items aus Meetings nachverfolgt und an Fristen erinnert.
Technisch sind solche Szenarien keine Zukunftsmusik mehr. Plattformen wie Copilot Studio oder spezialisierte Agenten-Frameworks (etwa LangChain oder AutoGPT) ermöglichen genau diese Muster bereits heute. Die größere Herausforderung liegt weniger in der Technologie, sondern in der Bereitschaft von Organisationen, Verantwortung an digitale Partner zu übergeben – und diese Verantwortung bewusst zu gestalten.

Praktische Konsequenzen für den Alltag

Dort, wo Agenten sinnvoll eingesetzt werden, verschiebt sich der Fokus im Umgang mit KI. Anstatt sich auf einzelne Prompt‑Antworten oder Textentwürfe zu konzentrieren, rückt die Gestaltung von Rollen, Zielen und Verantwortungsbereichen in den Vordergrund.
Drei Muster zeigen sich dabei besonders deutlich:
  1. Rollen klar beschreiben
    1. Agenten funktionieren besser, wenn ihre Rolle präzise gefasst ist. Anstelle einer generischen KI entsteht ein klar umrissener Partner: etwa ein kritischer Editor, der Argumentationslinien prüft, oder ein Research‑Agent, der Perspektiven und Quellen zusammenträgt.
  1. Ziele statt Aufgaben formulieren
    1. „Schreibe eine Mail“ bleibt im Modus klassischer Automatisierung. „Sorge dafür, dass sich die Kundin verstanden fühlt und einen Terminvorschlag macht“ beschreibt dagegen ein Ziel, das Interpretationsspielräume zulässt. Agenten entfalten ihren Mehrwert gerade in diesen Spielräumen.
  1. Delegation als Führungskompetenz verstehen
    1. Wo Agenten Verantwortung auf Teilzielebene übernehmen, verändert sich das Rollenbild von Führung. Entscheidend ist nicht mehr die Definition aller Einzelschritte, sondern der Rahmen: Ziele, Grenzen, Qualitätsmaßstäbe und Korrekturmechanismen. Korrigiert wird das Ergebnis, nicht jeder Zwischenschritt.

Agent Leadership als zukünftige Schlüsselkompetenz

In vielen Diskussionen rund um KI liegt der Fokus weiterhin auf „Prompt Engineering“. Deutlich wird jedoch, dass die eigentliche Führungsaufgabe in der Gestaltung der Zusammenarbeit mit digitalen Partnern liegt.
Führungskräfte, die Ziele klar formulieren, Rollen präzise definieren und Verantwortung bewusst verteilen, schaffen die Basis für produktive Agenten‑Zusammenarbeit. In diesem Kontext lässt sich von „Agent Leadership“ sprechen: der Fähigkeit, mit Agenten so zu arbeiten, dass sie nicht nur Aufgaben ausführen, sondern einen verlässlichen Beitrag zur gemeinsamen Wertschöpfung leisten.
Agency ist damit weniger ein technisches Feature als ein neues Paradigma der Zusammenarbeit. Dort, wo Organisationen diesen Schritt gehen, entstehen nicht einfach „smartere Workflows“, sondern Strukturen, in denen Menschen und digitale Partner gemeinsam bessere Ergebnisse erzielen.
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© Niels Anhalt 2025